Johannes trat wieder ein mal an die Startlinie. Sein zwanzigster 100-Meter-Lauf. Nicht überhaupt: Die Trainigsläufe sind unzählbar. Aber das zwanzigste mal, dass er zu dieser Disziplin bei einem Wettkampf antritt. Von seiner Außenbahn schaut er rüber zum Starter, der seine Startpistole lädt. Dazwischen 9 andere Läufer. Auf einer so breiten Bahn ist er noch nie gestartet: Mindestens 10 m breit. Kurz sinniert er darüber, wie stark verschoben da die Startblöcke stehen müssten, wenn es um die Kurve ginge. Was machen die nur bei einem 1000m-Lauf oder gar bei 10000m. Egal: 100m fasste die Bahn in gerader Länge - die optische Zielauswertung misst also in gerader Linie senkrecht zur Bahn. Genau so wie die Startblöcke aufgestellt sind. Er fixierte das Ziel: Hinbeamen. Das wäre eine Lösung. Doch jäh wird er aus seinen Gedanken gerissen. "Auf die Plätze". Er macht sich bereit. Der Puls geht hoch. "Fertig". In der gestreckten Haltung fühlt er sich wie ein gespannter Bogen. Kaum hört er den Schuss der Starterpistole flitzt er auch schon los. Guter Start, denkt er noch, aber das Ziel bindet nun alle seine Gedanken. Die gleisende Sonne lässt es fast verschwommen erscheinen. Wie eine Fata Morgana. Oder ist es die Anstrengung?
Wenig später wird das Ergebnis bekannt gegeben: Johannes hat um eine Hundertstelsekunde die Bestplatzierung verfehlt. Der Läufer auf der innersten Bahn, den er, verdeckt von den acht Anderen, vor dem Start kaum gesehen hatte, war schneller und Johannes muss sich mit dem zweiten Platz zufrieden geben.
Aber Johannes weiß: Moralisch bin ich der Sieger!
Stimmt das, gibt es dafür eine Rechtfertigung?
Antwort bitte mit Erklärung - da die Fragestellung so offen ist, erlaube ich mir wieder festzustellen, dass der Teilnehmer punktet, der das Glück hat auf meine Antwort und Erklärung zu kommen.
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